Teil der Reihe Slevogt und der "Wilde Westen"
„Wunsch, Indianer zu werden“ heißt ein Fragment von Franz Kafka aus dem Jahr 1912. Viele Menschen haben sich in ihrer Kindheit gewünscht, ein tapferer Indianerhäuptling zu sein. Die Winnetou-Romane Karl Mays, die Lederstrumpf-Geschichten von James Fenimore Cooper haben Generationen geprägt. Heute steht dieses Vergnügen in der Kritik: als kulturelle Aneignung. Wer sie betreibt, bereichere sich an den Schöpfungen „fremder“ Kulturen, so der Vorwurf; in Aneignung sei Enteignung immer schon inbegriffen. Diese Kritik hat einen richtigen Kern, denn natürlich drücken sich in der Aneignung „fremder“ Kulturen immer auch Machtverhältnisse aus. Die Frage ist aber: Kann man das „Fremde“ vom „Eigenen“ überhaupt trennen? Und beruht nicht in Wahrheit jede Kultur auf Aneignung? Und wenn das so ist, was heißt das für die Debatten der Gegenwart?
Referent: Jens Balzer ist Autor und Journalist in Berlin; er hat 2022 das Buch „Ethik der Appropriation“ veröffentlicht, in dem er die Debatte vom Kopf auf die Füße zu stellen versucht: Wir brauchen nicht mehr Verbote, wir brauchen mehr Reflexion; die Frage ist nicht, ob Aneignung berechtigt ist, sondern wie man sie auf richtige Weise betreibt.